Konzertrezension von Matthias Willeit – Josefikonzert 2013
Wo gehen Herr und Frau Südtiroler hin, um zeitgenössische Kunst zu erleben? Ins Museum, in Galerien, auf Happenings? – Nein: ins Blasmusikkonzert! Kaum eine Kunstform ist so nahe am Puls der Zeit, zugleich so flexibel wie die Blasmusik. Ein schönes Beispiel dafür bot die Bürgerkapelle St.Michael / Eppan am Samstag, 16. März. Für ihr Josefikonzert hatte Kapellmeister Ralf Troger ein ansprechendes, modernes Programm zusammengestellt.
„Go!“ Passender hätte Samuel Hazo sein Eröffnungsstück nicht benennen können; kräftige Akkorde und aufregende rhythmische Einfälle stimmten das Publikum ein. Genau und präzise wirkte das Zusammenspiel der Musikanten, die sich auf das sichere, wenn auch recht dominante Schlagzeug verlassen konnten. Die Intonation besonders der hohen Instrumente, zu Beginn eines Konzerts immer eine Sorge für jeden Kapellmeister, verbesserte sich im Laufe des Abends rasch – ein Zeichen für die Aufmerksamkeit der meisten Musikanten in einem Bereich, den ein Dirigent während des Konzerts kaum in der Hand hat.
Das nächste Stück, eine Bearbeitung der „Villanelle für Horn“ von Paul Dukas, stellte an den Solisten Martin Fink hohe Ansprüche, forderte aber auch das Publikum; die Feinheiten des Werks werden sich beim einmaligen Anhören nicht jedem erschließen. Die Begleitung – um einen Gutteil der Blechinstrumente reduziert – ging sensibel auf den Solisten ein; vielleicht mit ein wenig zu viel Konzentration auf diesen; was etwas auf Kosten der Klangfülle, der Spannung und der Präzision in den schnellen Läufen ging.
Mit Philip Sparke folgte ein Schwergewicht der zeitgenössischen Blasmusik. „The sunken village“ erzählt vom Zusammentreffen zweier Extreme, die musikalisch teils nacheinander, teils gleichzeitig erklingen – einerseits choralartige, fromme Klänge, andererseits überbordende Lebensfreude, charakterisiert durch robuste Tanzmusik. Kapellmeister Ralf Troger hat augenscheinlich viel Zeit und Arbeit in die Interpretation dieses kleinen Meisterwerks gesteckt, deutliche Charakterwechsel und die Spiellaune der Bläser nahmen das Publikum in die erzählte Geschichte mit. Ebenso zeigten sich die Solisten durchwegs engagiert und fügten sich unaufdringlich in den Gesamtklang ein.
Die Pause umrahmten zwei wuchtige und dennoch grundverschiedene Werke – „Army of the Nile“ ein Marsch, in dem Kenneth Alford die Kraft und Aggressivität eines Feldzuges musikalisch eingefangen hat, und „Fortuna Imperatrix Mundi“, das bekannte Eröffnungsstück der Carmina Burana. In beiden Stücken verbanden die Musikanten Präzision mit gutem Klangausgleich, doch die letzte Schärfe, die unbedingte Aggressivität, die beide Stücke in bestimmten Abschnitten verlangen, war nicht zu hören. Zweifellos eine Folge des Bemühens um eine kultivierte Dynamik.
Eine große Herausforderung und einen Höhepunkt des Konzertes stellte sicherlich die Bearbeitung des Musicals „Elisabeth“ dar: Nicht weniger als 12 Ausschnitte des bekannten Bühnenwerks hat Kapellmeister Troger zu einem Melodienreigen verbunden, der das Publikum auf eine Reise durch das Leben der österreichischen Kaiserin Sissi begleitete. Die einzelnen Teile wurde ausführlich durch die Sprecherin Kathrin Dellantonio erklärt und eingeleitet, die heuer übrigens zum zehnten Mal durch das Programm führte.
Besonders erfreulich war die Aufführung von „Ålm“, Programmmusik des jungen Rittner Komponisten Armin Kofler. Die Bürgerkapelle St. Michael / Eppan lud das Publikum auf eine musikalische Almwanderung ein, stimmungsvoll unterstützt durch einen passenden Film, der sich im abgedunkelten Saal gut ausnahm. Die Musiker nahmen das Dirigat Trogers flexibel auf, nur an einigen langsamen Stellen wäre ein genauerer Wechsel noch wirkungsvoller gewesen. Ein stabiler Klang und eine dem Charakter angemessene Dynamik brachten die schönen Ideen Koflers zur Geltung.
Auf die Muzikantum-Polka – unverkennbar aus der Feder Jaroslav Zemans – folgte der Dank des Kapellmeisters: An seine Musikanten, den Obmann für sein zehntes „Dienstjahr“, das Publikum, die Helfer und Gönner. Und es folgte ein wichtiger Wunsch an die Zukunft: Dass die acht (!) neu aufgenommenen Jungmusikanten auf ihr erstes Josefikonzert noch lange Jahre des Musizierens anschließen und früher oder später zu „Alten Kameraden“ werden mögen. Das Stichwort für die Zugabe war gegeben, mit dem bekannten Marsch von Carl Teike verabschiedete sich die Bürgerkapelle.
Der Gesamteindruck? Ein diszipliniertes, kompetentes Blasorchester hat sein neues Jahresprogamm mit großer Spielfreude vorgestellt. Weil man es mit Menschen zu tun hat, wird immer noch etwas zu tun sein; speziell die Intonation in getragenen Passagen hat noch einiges Potential, und einige ekstatische, aggressive, „harte“ Stellen liefen doch sehr kontrolliert ab, so dass sich das „Gänsehaut-Gefühl“ manchmal gerade nicht einstellte.
Aber was schreibe ich von kleinen Mängeln und Makeln: Wer von zwei Stunden Live-Musik jeden Einsatz auf die Hundertstel-Sekunde genau, jeden Akkord perfekt ausgestimmt erwartet, der weiß nicht, was es heißt, als Musikant, nein: als Musiker auf der Bühne zu sitzen. In der Zeit des CD-geschulten Gehörs mag das den einen oder anderen Kofferradio-Dirigenten stören, das Josefikonzert der Bürgerkapelle St. Michael / Eppan war jedenfalls eine gelungene Darbietung, eine lobenswerte Leistung motivierter und gut vorbereiteter Musikanten.